Dr. Silke Beisiegel
Diplom-Restauratorin für Ihre Gemälde, Rahmen und gefassten Holzskulpturen



BeisiegeLOG: Maltechnik & Restaurierung im Detail


Wie sind Gemälde und Skulpturen entstanden und welche Spuren helfen, den Werkprozess zu entschlüsseln? Wie können Kunstwerke erhalten werden?

In meinem Blog gebe ich Einblicke in die kunsttechnologische Forschung sowie in die Konservierung und Restaurierung von Gemälden und gefassten Holzskulpturen. Dabei geht es sowohl um technische Untersuchungen als auch um praktische Herausforderungen.


Die Beiträge beleuchten für Kunstinteressierte Fragen rund um Materialien und deren Verwendung in Kunstwerken sowie deren Erhaltung.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Kunst des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ergänzend wird für alle, die mehr über das Thema wissen möchten, auf weiterführende Fachliteratur, digitale Publikationen und Datenbanken verwi
esen.

 

Stilisierte Darstellung des Blicks durch das Mikroskop: runder Auschnitt zeigt Gemäldedetail



Willkommen bei BeisiegeLOG!

Ich bin promovierte Restauratorin für Gemälde und gefasste Holzskulpturen mit einem Faible für maltechnische Details und die Kunst um 1900.
In meinem Blog verbinde ich Forschung und Praxis – mal sachlich, mal mit einem Augenzwinkern.

Denn die Freude an der Kunst und ihrer Erhaltung begleitet mich durch alle Projekte.



Beiträge

Der nächste Beitrag in diesem Blog erscheint voraussichtlich am 07.07.2025.


2025-06-07

Künstlernachlässe bewahren – ein Beispiel aus der Praxis

Umfangreiche Nachlässe können für Privatpersonen, Museen oder Institutionen zu einer konservatorischen Herausforderung werden. Im Jahr 1962 erhielt die Galerie Neue Meister Dresden 405 Ölstudien aus dem Nachlass des Historienmalers Hermann Prell (1854–1922). Prell lehrte als Professor an der Dresdner Kunstakademie und schuf Raumausstattungen, darunter die Ausgestaltung des Treppenhauses des Dresdner Albertinums. Mehrere der Ölstudien dienten als Vorarbeiten zu dieser Ausgestaltung. Aufgrund des Umfangs und des teilweise schwierigen Erhaltungszustands war die konservatorische Betreuung des Nachlasses anspruchsvoll.
Gerade größere Künstlernachlässe stellen bei begrenzten Mitteln eine schwierige Aufgabe dar. Ohne nachhaltige Pflege kann sich der  Zustand der Werke verschlechtern, wodurch sich auch ihre Nutzbarkeit für Forschung und Ausstellung verringert. Ein nachlassendes Interesse kann wiederum dazu führen, dass  Konservierungsmaßnahmen ausbleiben – ein Teufelskreis. Der hier vorgestellte Fall steht exemplarisch für eine systematische Aufarbeitung und Betreuung.

Bildträger der Ölstudien
Prell nutzte unterschiedliche Materialien als Bildträger. Etwa ein Drittel davon besteht aus textilbezogener Malpappe, also vorgrundiertem Gewebe auf Pappe. Die meisten der übrigen Studien sind auf Pappe oder auf Pappe aufgezogenes Papier gemalt. Einige sind auf eine weitere Pappe geklebt. Zahlreiche dieser Studien sind an den Rändern mit Kaliko↗ beklebt, auf der Rückseite mit Papier kaschiert und mit einem Aufhänger versehen. Auch kleine Holztafeln und Leinwände dienten als Bildträger.
Die Studien wurden wohl mit Ölfarbe gemalt und sind in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung erhalten. Einige Arbeiten sind partiell oder vollflächig mit Firnis überzogen.

Erhaltungszustand und Konservierung
Bereits bei der Schenkung 1962 wurde eine erste, stichpunktartige Schadenserfassung durchgeführt. Regelmäßige konservatorische Kontrollen des Bestands, insbesondere in den 1990er-Jahren, bestätigten die damals dokumentierten Schäden. Zu den Herausforderungen gehörten alte Wasserschäden, die zu Malschicht- und Bildträgerverlusten, insbesondere an den Pappen, sowie zu partiellen Ablösungen der vorgrundierten Leinwände führten.
Erste konservatorische Maßnahmen begannen 2004. Zwei Jahre später wurde eine detailliertere Bestandserfassung an 15 Studien erprobt. 2007 konnte im Rahmen einer Diplomarbeit die schwer beschädigte Studie Weiblicher Rückenakt restauriert werden. Mit dem Umzug des Gemäldedepots 2010 in das sanierte Albertinum wurde eine Prioritätenliste erstellt, die die Maßnahmen nach Erhaltungszustand ordnet. Auf dieser Grundlage konnten über 60 Studien konserviert werden. Dabei wurde eng mit Papierrestaurator*innen zusammengearbeitet, die die Ergänzungen an stark beschädigten Pappen übernahmen.

Aufbewahrung
Die Ölstudien erforderten aufgrund ihrer unterschiedlichen Formate und Materialien zwei angepasste Lösungen.
Studien mit einer Kantenlänge von mehr als 70 cm oder mit empfindlichen Bildträgern wurden gerahmt und mit einem Rückseitenschutz versehen. Diese Rahmung entspricht dem Studiencharakter und ist auch für Ausstellungen geeignet.
Kleinere und stabile Studien wurden nach Formaten sortiert und einzeln in beschriftete, archivgerechte Umschläge eingelegt. Die Lagerung erfolgt in etikettierten Archivboxen.
Trotz begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen konnten die Maßnahmen über einen Zeitraum von zwölf Jahren kontinuierlich vorangetrieben werden. Der Nachlass Prell zeigt beispielhaft, welche Ergebnisse durch eine sorgfältige und langfristige Betreuung erzielt werden können. Deutlich wird: Konservatorische Arbeiten sind meist ein Marathon, kein Sprint.
Die Bestanderfassung, Priorisierung und Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen lassen sich auf viele Nachlasssituationen übertragen. Stehen auch Sie vor ähnlichen Herausforderungen? Benötigen Sie Unterstützung bei der Bewahrung Ihrer Sammlung? Kontaktieren Sie mich.

Die Untersuchung und konservatorische Betreuung dieses Nachlasses waren Teil mehrerer wissenschaftlicher Arbeiten. Weitere Informationen dazu finden Sie unter meinen Veröffentlichungen.

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Silke Beisiegel - 22:09 @ Sammlungspflege